Wahrscheinlich suchte sie vergeben nach dem Noah der er früher war. Auch wenn er noch immer in ihm war, verdrängte er diese Seite in ihm. Die kindliche und unbeschwerte Seite die keinem von Nutze war. Früh musste er merken das, dass alles sinnlos gewesen war und genau diese Ansicht hatte er. Es war die glücklichste Zeit seines Lebens gewesen doch anstatt seine Zeit sinnvoll zu Nutzen, hatte er diese verschwendet mit Sachen die unnötig gewesen waren, auch wenn sie ihn glücklich gemacht hatten. Diese Ansicht wurde ihm so oft gesagt bis er selbst an diese glaubte und der alte Noah langsam aber sicher verschwand und sich versteckte. Wie sehr er Effy verletzte konnte er sich denken doch sie musste damit klar kommen. Einfach akzeptieren das er jetzt ein anderer war.
Als es anfing zu regnen, sah Noah kurz aus dem Fenster und richtete sich wieder auf. Bei Effys Worten ob Noah eine Augenbraue und erkläre ihr dann das er draußen telefonierte. Als er dann zu den beiden stieß sah Noah, Chris kurz an und dann wieder zu Effy die außer sich vor Wut schien. Mit leicht gehobenen Augenbrauen sah Noah zwischen Effy und Chris hin und her und schnaufte verächtlich bei ihren Worten. Sie sprach so als wäre er nicht im Raum und das gefiel ihm nicht. Als sie sich aber wieder Noah zu wendete, ließ dieser sich mehr von ihren Gefühlen mitreisen als er es wollte, und er wurde selbst wütend.
"Ist das dein ernst Effy? Im Gegensatz zu dir hasst mich Chris nicht... glaub mir es ist wirklich besser so" meinte er und sah ihr in die Augen. "Was zum Teufel stimmt mit dir nicht! Denkst du ich hab es mir ausgesucht? Denkst du ich wollte das hier aufgeben um auf eine Privatschule zu gehen?!" fügte er hinzu und funkelte sie an. Zum ersten mal seit langem ließ er seinen Gefühlen wieder freien lauf und gab sich nicht beherrscht und undurchdringlich. "Ja du kennst mich nicht mehr... und glaub mir du hast keine Ahnung. Ich bin nicht hier um mir Feinde zu machen, doch genau so wenig um mir Freunde zu schaffen. Wenn du ernsthaft denkst ich bin hier um euch auszuspionieren, was auch immer ihr hier noch immer treibt, dann muss ich dich leider enttäuschen. Ich bin weder wegen dir noch wegen dieses Hauses hier. Ich wollte lediglich mit einem Freund an den See und als wir hier vorbei gekommen sind, wollte ich hinein gehen, aber es war wohl ein Fehler denn gestern einmal auf dich zu treffen hatte völlig gereicht" meinte er und seine Stimme wurde gegen ende wieder kontrolliert und kalt.
Nach dem er das gesagt hatte, sah Noah Effy noch einen Moment an und sah dann zu Chris. "Ich denken ich gehe mal lieber und wir verschieben unseren kleinen Ausflug auf ein andermal. Mir ist die Laune verdorben" meinte er zu ihm und sah kurz wieder zu Effy. Er wollte hier im Moment einfach nur noch weg. Mit einem letzten Blick denn er durch das Haus schweifen ließ, machte er sich wieder auf den Weg nach draußen um nach Hause zu gehen. Das es inzwischen regnete war Noah egal.

Ich musste leise seufzen, als Effy so wütend war und verdrehte leicht die Augen. Das war wirklich unnötig, dass sie sich so aufregte. "Woher soll ich wissen, das du hier bist? Und hey, er war früher auch öfters hier und er kann sich doch ruhig etwas umschauen. Wir waren nur auf den Weg zum See, da sind wir eben hier vorbei gekommen. Ich musste eben telefonieren, sonst wären wir gleich an den See gegangen. Jetzt beruhig dich, Effy." meinte ich und versuchte ruhig zu bleiben. "Chill doch mal, ich hab ihm sonst nichts von hier erzählt! Ich bin immer noch mit ihm befreundet und wollte einfach mal was mit ihm unternehmen. Er kann nichts dafür, das er weg musste damals." sagte ich und schüttelte den Kopf. Klar hatte Noah sich da verändert, aber hatte sich das nicht jeder? Und ich fand, man sollte auch jedem eine zweite Chance geben.
Ich sah zu den beiden und biss mir auf die Lippe, um nicht mehr zu sagen. Mein Blick ging zu Noah. "Sorry, Mann, das hier wollte ich nicht das es so kommt. Dann verschieben den Ausflug, geht klar." meinte ich und nickte, als er auch schon verschwand. Ich stieß mich von der Wand ab. "Keine Sorge, Effy. Er weiß von hier nichts.. ich hab nichts verraten! Also beruhig dich mal. Das ist doch Jahre her, seitdem er weg war. Warum bist du immer noch so sauer?" fragte ich sie und runzelte die Stirn, bevor ich mir etwas zum Trinken holte.

Sie wollte daran nicht denken, sie wollte an nichts denken, doch in diesem Moment wünschte sie sich nichts mehr, als das David hier wäre. Noch nie in den letzten zwei Jahren hatte sie sich mehr gewünscht, dass er noch am leben war, denn hätte er in diesem Moment neben ihr gestanden, er hätte sie verstanden. Wäre Ava tot und nicht er, er hätte genauso hart gekämpft, wie Effy es nun tat. Es war ein zu schmerzlicher Gedanke, um ihn am Leben zu erhalten, doch mit einem mal hatte sie nicht das Gefühl, alleine zu sein. "Achso, du kennst meinen Namen wieder?" fragte Effy sarkastisch, ging aber nicht mehr weiter darauf ein. "Was mit mir nicht stimmt? Hör mal zu, ich weiß nicht, was du dir gerade einbildest, aber wenn es dir nicht gefällt, wie du verurteilt wirst, solltest du besser ganz schnell damit aufhören, es bei mir zu versuchen." Ihr Blick wich nicht von seinem, nicht einen Moment sah sie von seinen eisernen Augen weg. Und so war es beinahe unmöglich, dass ihr das leichte Tauen in ihnen nicht auffallen konnte. Ihr Herzschlag beruhigte sich, während sich gleichzeitig alles in ihr zusammenzog. Für einen kurzen Moment war sie wieder elf Jahre alt, ihre Haare waren länger und sie waren blond, während sie in das Gesicht des Jungen war, dass ihr manches Mal noch vertrauter war als das von Chris oder Ava. Sie hätte nicht erwartet, es je wieder zu sehen. Sie war nicht wütend auf Chris, weil er Effy dazu gebracht hatte Noah zu sehen und doch schien es alle Entzündungen in ihr für einen kurzen Moment zu heilen. Sie schluckte. " Du . . . du wusstest nicht, dass du gehst?" fragte Effy, nun deutlich ruhiger, jedoch nun fester und fliehender. Unter keinen Umständen wollte sie ihm zeigen, wie sehr es das Bild, was sie nun von ihm hatte, ändern würde. Es sollte das Gleichgültigste der Welt für sie sein. Denn ob er es wollte oder nicht, er war nicht mehr der Mensch, den sie einmal gekannt hatte. Und sie war sich nicht sicher, ob er in dieser toten, lieblosen Hülle überlebt hatte.
Chris Worte drangen wieder zu ihr durch und sie blickte zu ihm. "Du hast ihm nichts erzählt?Aber wie viel lag hier, was er hätte sehen können?! Und wie gut hättest du uns versichern können, dass er es für sich behält? Wie konntest du nur die einzige Fährte, die wir für einen Tod haben aufs Spiel setzten?" fragte sie nun leiser, nur zu Chris, während Noah sich auf dem Weg zur Tür machte. Vor Chris fiel es ihr leichter, ihre Stimme zu lockern, ihm zu zeigen, wie verletzt sie war. Doch sie schluckte es hinunter. Nur noch wenige Sekunden, flüsterte sie es in sich zu. Nur noch wenige Momente, bevor sie zusammenbrechen konnte.
"Und Noah? Tu nicht so, als müsstest du mir Leid tun. Im Gegensatz zu dir war ich auf der Beerdigung meines besten Freundes. Und es tut mir nicht Leid, dass es mir wichtig ist, das so nicht einfach stehen zu lassen." Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging aus der Küchentür hinaus. Der Regen fiel vom Himmel, tausende Regentropfen landeten augenblicklich auf ihrem Gesicht, doch es war ihr nur recht. Sie wollte nicht, dass irgendjemand ihre Tränen sah.

Mit der Kapuze über den Kopf gezogen lief ich zum Haus, das gut versteckt mitten im Wald stand. Mein Blick war auf den Boden gerichtet, damit ich keine Wurzel oder andere Stolperfallen übersah. Der Regen brachte das Blätterdach zum Rascheln und aus diesen Gründen konnte ich Noah sowohl nicht sehen, als auch seine Schritte durch das Laub hören. Deswegen betrat ich ohne jeden Schimmer das Haus und war überrascht, als ich polternde Schritte die Treppen rauf hörte und Chris mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck im Wohnzimmer vorfand.
Ich schälte mich aus meiner durchnässten Jacke und fuhr mir durch mein feuchtes Haar. "Chris? Was ist los?" fragte ich verwirrt und blickte kurz zur Treppe, von deren Richtung ich kurz darauf eine Türe lautstark zufallen höre.
In keinster Weise ahnte ich, was sich hier getan hatte. Die letzte Woche war hart für mich gewesen, da mich nicht nur das mit David beschäftigt hatte, sondern auch in meiner Familie die Stimmung zur Zeit eiskalt ist. Aus diesem Grund war ich nicht da gewesen und mich plagten die Gewissensbisse, da ich weiß, dass ich Effy mit all diesen Dingen alleine gelassen hatte. Um Chris hatte ich mir keine Sorgen gemacht. Er bekam immer alles irgendwie auf die Reihe. Zur Zeit lief vieles schief und was gerade eben geschah, wusste ich noch nicht einmal.

Ich hatte nicht geahnt, dass es soweit kommen würde zu so einem Streit. Aber gut, ich hätte wohl nachdenken sollen bevor ich Noah hier allein durchs Haus laufen ließ. Eben wegen den Materialien. "Leute, beruhig euch!" versuchte ich die beiden zu beruhigen und verengte leicht die Augen. Woher sollte ich das wissen, das Effy so einen Aufstand machte? Ich hoffte, sie war nun nicht sauer weil ich Noah hierher geführt hatte, obwohl ich mit ihm nur durch Zufall hier vorbei gekommen war. Wäre mein Handytelefonat gewesen, wäre es nicht so weit gekommen. Noah war dann auch wieder weg und ich sah zu Effy, die wirklich verletzt klang als sie mich das fragte. "Er wollte sich nur das Haus ansehen! Ich glaube nicht, dass er sich die Sachen angeschaut hätte! Er spioniert doch deswegen nicht gleich... verdammt, gut es tut mir leid, ich hab nicht viel nachgedacht. Ich hatte gedacht, während ich kurz telefoniere, kann er sich umsehen." versuchte ich sie zu besänftigen. Schließlich verließ sie dann aber auch einfach das Zimmer und ich blieb alleine zurück. "Effy!" rief ich noch, aber sie kam nicht zurück.
Ich blieb an der Stelle stehen und sah dahin, wo sie eben noch gestanden hatte. Ein Seufzer unterdrückte ich und man sah mir das nicht wirklich an, das ich über die Situation nachdachte. Ich merkte nicht, wie Ava hereinkam und so zuckte ich kurz unmerklich zusammen, als ich auf einmal ihre Stimme vernahm. Ich richtete mein Blick auf sie und wusste nicht, wie ich das beantworten sollte. "Noah war kurz hier." sagte ich schließlich, direkt und knapp. "Deswegen ist Effy nun sauer." Ich runzelte die Stirn und presste die Lippen zusammen.

In so einem Zustand hatte ich Chris nun seit Jahren nicht mehr gesehen und so schrillten meine Alarmglocken, als er bei meinen Worten, die ihn wohl aus den Gedanken rissen, zusammenzuckte. Ich hatte mit vielen Antworten gerechnet, doch mit seiner in diesem Moment überhaupt nicht. "Noah?" Überrascht blickte ich ihn an. "Unser Noah?" Es war Jahre her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen hatte und seit langer Zeit hatte ich auch nicht mehr an ihn gedacht. Er hat uns im Stich gelassen damals, so dachte ich auf jeden Fall davon und aus diesem Grund wollte ich seit dem auch nichts mehr von allem was ihn betraf wissen. Doch es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, dass es zu diesem Moment kam. Ich konnte verstehen, dass Effy nicht erfreut über diese Rückkehr war. Ich seufzte bei seinen Worten. Sie hatte es damals echt getroffen und so wurden gerade meine Gewissensbisse nur schlimmer, da ich nicht genügend für sie da war. Diesen Gedanken schob ich aber für den Moment zur Seite, denn nun stand Chris vor mir, der normalerweise immer alles cool nahm und nie etwas nahe kommen ließ, doch gerade sehr fragil schien. Ich ging die paar Schritte, die noch zwischen uns lagen, zu ihm und blickte ihn an. "Chris... Alles okay? Auch wenn ich gerade nicht dabei war... Es war sicher nicht deine Schuld, was gerade eben passiert war..." meinte ich und versuchte irgendwie zu ihm durchzudringen.

Ich war wohl eindeutig neben mir und oft sah man mich auch nicht so. Aber hier ging es ja um meine besten Freunde und streiten wollte ich mich ja auch nicht. Vor allem wollte ich auch nicht, dass sie verletzt oder so waren. "Ja, genau der." nickte ich und sah ihr die Überraschung an, was ich aber auch verstehen konnte. An ihrer Stelle wäre ich auch so überrascht davon gewesen. Ich hatte wohl am meisten Kontakt noch zu Noah, was ich den beiden aber nicht gesagt hatte, da ich wusste wie sie reagierten. Am Anfang war ich natürlich auch enttäuscht wegen ihm, aber dadurch das ich den Grund kannte, war es zwischen Noah und mir wieder ein besseres Verhältnis/Freundschaft. Ich hatte aber nir gedacht, dass es so ausarten würde nach all den Jahren. Ich sah, wie sie näher zu mir kam und nickte leicht. "Ja, alles in Ordnung." meinte ich und versuchte mich zu sammeln. Es durfte kein Dauerzustand sein. "Ava, ich hab ihn hergeführt! Ich wollte mit Noah am See chillen und dann sind wir auf dem Weg hierher vorbei gekommen, wo ich dann einen Anruf bekam und er hat sich das Haus ansehen wollen, mehr nicht. Wie siehts nun aus mit deiner Meinung? Ich hätte ja auch einen anderen Weg nehmen können." erwiderte ich, wobei ich dann schnaubend den Kopf schüttelte. Ich blickte sie an, wahrscheinlich würde sie das auch nicht für gut befinden was ich gerade gesagt hatte.

Von den Gründen weswegen Noah gegangen war, wusste ich nichts. Damals wollte ich rein gar nichts mehr von ihm und alles was mit ihm zutun hatte etwas wissen. Er war so gut wie nicht existent für mich, doch als jetzt sein Name fiel, war die Konfrontation unvermeidlich. Mein Blick fiel kurz wieder zur Treppe und wieder zurück zu Chris. Aus diesem Grund war Effy also nach oben verschwunden. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was sie in diesem Moment durchmachte. Auch wenn ich nicht dabei gewesen war, so konnte ich mir denken - und Chris' Zustand zeigte es ganz gut - , dass vor nur wenigen Minuten hier ein von Emotionen geleitete Gefecht geführt wurde.
Als er meinte, es sei alles in Ordnung, blickte ich ihn unverwandt direkt an. "Nein, das nehme ich dir nicht ab..." Und schon erzählte er was geschehen war. Bei jedem seiner Worte wurde mir mehr und mehr bewusst, wie hitzig die vorherigen Momente waren. Als ich ihn so sah, kam mir in diesem Augenblick gar nicht der Gedanke, dass Chris somit seit langer Zeit seine Freundschaft zu Noah uns vorenthalten hat. Nein, in dem Augenblick wollte ich ihn einfach von diesen Vorwürfen befreien. "Chris..." Wie automatisch legte ich eine Hand auf seine Wange, damit er mich anblickte. "Das hätte jeder getan... Und du kannst nichts dafür, dass zwischen... dass da viele ungelöste Probleme zwischen Effy und Noah vorhanden sind..." Mich ließ ich einmal aus diesem ganzen Konflikt aus. Egal was damals war, ich hatte schon kurz darauf das alles hinter mir gelassen und Noah auf gewisse Weise wohl vergeben uns im Stich gelassen zu haben, so wie es jedenfalls für mich damals gewirkt hat.

Genau deswegen und auch weil ich ihn einfach mitgebracht hatte. Ich hatte da wohl nicht überlegt, aber ich wusste ja, warum Noah damals weg war. Es war ja nicht wirklich freiwillig und wir waren ja noch jung gewesen damals so wie er. Ich wusste, dass es für Effy schwer war und hoffte einfach, dass sie sich mit Noah wenigstens etwas aussprach. Ich hatte eben nicht nachgedacht und hatte nicht geahnt, dass es nun soweit kam. Aber irgendwann musste man dies mal klären. Es war wirklich ein Gefecht gewesen, auch wenn es ziemlich kurz war und das musste man auch nicht erlebt haben.
Mir war klar, dass sie mir dies nicht abnahm, dafür kannte sie mich zu gut. Ich sah ihr an, wie sie von Sekunde zu Sekunde die Situation mehr begriff. Ich hatte die Freundschaft mit Noah verheimlicht, weil ich schon fast sicher war das sie mir das dann vorwarfen oder ausfragten, warum ich ihm verziehen hatte. Ich blickte sie an und spürte ihre Hand an meiner Wange, was mich schon überraschte. "Wirklich? Aber er hätte die Materialien gesehen, die die einzigste Fährte von Davids Mord war. Und das, obwohl er ja nicht mehr zu uns gehört... Ja gut, dafür kann ich nichts." meinte ich. "Aber ich hoffe, Effy hört Noah zu. Immerhin konnte er damals nichts dafür, das er weg musste." Ich blickte sie an, davon wusste sie wohl auch nichts.

Ich wusste nichts davon, dass Chris mit Noah Kontakt gehalten hat und in diesem Moment wollte ich das alles eigentlich nicht genau wissen. Eigentlich war ich hier her gekommen um wenigstens ein wenig zur Ruhe zu kommen, doch hier stieß ich nur auf noch mehr Chaos. Doch das was ich mitbekam, war ja anscheinend nicht einmal alles. Ich wollte keine Geheimnisse mehr, überhaupt nicht in unserer Gruppe, doch wo ich auch hinsah warteten nur noch mehr Heimlichkeiten. Doch anstatt von all dem in diesem Augenblick überrollt zu werden, blickte ich Chris weiter an und klammerte mich so unbemerkt an die Realität, die mich vor zu vielen Gedanken rettete.
"Du konntest ja nicht wissen, dass die Unterlagen noch immer hier lagen." erwiderte ich beschwichtigend und ließ sofort als ich seinen überraschten Gesichtsausdruck sah, meine Hand und ebenso meinen Blick sinken. Bei seinen weiteren Worten blickte ich wiederum verwirrt zu ihm auf. "Wie meinst du das? Er hat uns doch nie etwas erzählt... Er hat es ja als nicht wichtig genug empfunden uns irgendetwas zu sagen." meinte ich und unterschwellig klang der lang vergessene Frust in meinen Worten mit. Ich dachte, dass ich dieses Gefühl schon längst überwunden hatte, doch anscheinend hatte ich mich damit geirrt.

Ich war da froh, dass sie mir nun deswegen keine Fragen stellte, warum ich noch mit ihm Kontakt hatte. Oder es mir vorwarf, genau das brauchte ich auch nicht und hatte auch nicht gedacht, das es soweit kommen würde. Ich hatte zwar schon überlegt, ob ich die drei nicht irgendwie zu einem Treffen bringen konnte, damit sie sich aussprachen. Aber daraus war nie was geworden. Ich hatte auch nie wirklich Lust gehabt, dies zu verheimlichen, aber ich hatte es Noah versprochen und ich konnte das nun auch nicht wirklich einfach verraten davor. Ich riss mich zusammen, sodass ich wieder etwas normaler aussah. Es brachte nichts, wenn ich nun vollkommen aufgelöst war - man musste nun die Ruhe bewahren.
"Ja, das stimmt. Und ich wusste auch nicht wirklich, das Effy hier ist." stimmte ich ihr zu und war froh, dass sie es so sah. Als sie ihre Hand senkte, blickte ich sie an und klopfte ihr leicht auf die Schulter. "Danke, dass du es so siehst." Das musste ich nun sagen, unter Freunden ging das ja auch. "Hat er damals auch nicht... Aber ich hab mit ihm wieder geredet, als er da war. Und da hat er gesagt, damals mit 12 hat sein Vater ihn auf eine Privatschule weggeschickt, egal ob er wollte oder nicht." erklärte ich ihr und beobachtete ihren Gesichtsausdruck.

Bei seinen Worten stutzte ich für eine Sekunde. So wie er sprach, wurde mir klar, dass Chris schon länger wieder mit Noah Kontakt hatte, doch uns nie etwas davon gesagt hatte. Ich konnte natürlich nichts von seinen Gründen wissen, doch auf irgendeine Art verletzte es mich, dass er solange ein Geheimnis gehabt hat, für das er uns beziehungsweise in dem Moment mir nicht genug vertraute. Doch ich schluckte diesen Fakt einfach hinunter ohne mich noch weiter davon aus der Bahn werfen zu lassen.
"Achso, das wusste ich nicht. Ich dachte er würde gern von hier wegkommen." fuhr ich fort und versuchte meine Stimme wie zuvor klingen zu lassen. Unbewusst bewegte ich meine Schulter, so das Chris' Hand herabrutschte. Von all dem müde setzte ich mich auf die Couch und lehnte mich zurück. "Wieso hat er uns, also mir und Effy, nie etwas davon gesagt?" fragte ich. Mir schien es unbegreiflich. Ich dachte wir waren Freunde und so etwas wichtiges teilte man doch normalerweise seinen Freunden mit.
Ich zog meine Beine an meinen Oberkörper und legte meinen Kopf auf meine Knie.

Ich wollte damit niemanden verletzen, aber ich wusste einfach nicht wie ich das hätte sagen sollen. Und meistens hatte ich dann auch nicht groß nachgedacht. Ich hatte ja auch erst wieder Kontakt, seit dem er wieder da war. Vor allem hatte ich nicht gewusst, wie Ava und Effy darauf reagiert hätten. Effy sicher nicht so toll.
"Mit 12? Okay, hätte sein können. Aber nein, soweit er es mir gesagt hat nicht." meinte ich und sah sie an. Ich merkte, wie sie ihre Schulter bewegte und ließ die Hand sinken. Mein Blick ging aus dem Fenster, bevor ich auf ihre Frage die Schultern zuckte. "Vielleicht hat er damals nicht gewusst, wie er es sagen wollte oder er wollte nur nicht, das man sich den Kopf da macht. Und nun sind eben Jahre vergangen und man weiß nicht, wie man das erklären soll." meinte ich und setzte mich in den Sessel. Das war eine komplizierte Situation.

Ich horchte seinen Worten nur halb zu. Es war einfach so viel zu verarbeiten und mit so einer Situation hätte ich nicht gerechnet, was alles nur schwerer machte zu verarbeiten. "Ja, du hast wahrscheinlich recht." erwiderte ich und hob wieder meinen Kopf. "Es wäre trotzdem toll gewesen, wenn er sich wenigstens ein paar mal gerührt hätte." meinte ich. "Aber die Zeit kann man so oder so nicht mehr zurück drehen. Was passiert ist, ist passiert..." Ich seufzte lautlos, lehnte meinen Kopf zurück und schloss die Augen.
"Wie lang hast du wieder Kontakt mit ihm?" fragte ich ihn die Frage, die mir schon seit ich eben erkannt habe, dass er uns das verheimlicht hatte, auf der Zunge brannte. Ich wusste, dass ich mich eigentlich nicht gekränkt fühlen sollte, denn Chris hatte sicher seine Gründe, uns es nicht gesagt zu haben. Diesen Gedanken versuchte ich mir zu verinnerlichen.

Ich konnte mir vorstellen, dass es einiges zu verdauen war und ich würde ihr auch soviel Zeit lassen wie sie brauchte. Leicht nickte ich noch auf ihre Worte, worauf ich nichts mehr zu sagen wusste. Es war wirklich eine verzwickte Situation und ich hoffte doch, dass diese bald geklärt war. "Denke ich mir. Aber er hat wohl eher gedacht, das ihr ihm nicht verzeihen würdet. Und bevor er wieder gekommen ist, konnte er es wohl nicht." meinte ich nachdenklich. "Da hast du recht.. Man kann leider nichts rückgängig machen, nur versuchen zu klären." Ich lehnte mich zurück und sah an die Decke.
Als sie mich das fragte, blickte ich sie an. Irgendwann musste diese Frage ja kommen. "Noch nicht sehr ewig. Seitdem er wieder zurück ist, waren uns da mal über den Weg gelaufen und ich hab ihn da zur Rede gestellt." antwortete ich ihr ehrlich. Ich dachte aber eigentlich auch, das noch die Frage warum ich es noch nicht gesagt hatte kommen würde. Das wäre wohl eine etwas schwierigere Sache, das zu erklären.